Sonntag, 20. Juni 2010

Vesak 2010: Sex, Nicht-Wissen und Nicht-Schiessen

Nachdem sich in der Woche davor für mich überraschend heraus gestellt hat, das ich doch auf das Vesak-Fest nach Frankfurt konnte, war ich nun gestern einige Stunden dort.

Nachfolgend ist meine Sichtweise der dortigen Dinge in der Hoffnung, dass dies den Leser zum Nachdenken anregen und seinen Horizont erweitern mag.

Allgemeines zu diesem Event:
Bei diesem Fest aller Buddhisten in Frankfurt und Umgebung spielt sich immer der Abt Thich Thien Son von Pagode Phat Hue mit seinem Ego gerne auf. Er ist wohl mit seinen Mönchen und Nonnen der Hauptorganisator dieses Ereignisses - warum drücken sich die anderen buddhistischen Gruppen eigentlich davor und vor dieser Verantwortung? Warum kann die Verantwortung dafür nicht jährlich wechseln, um Einseitigkeiten zu verhindern und Ausgewogenheiten rein zu bekommen?
Meine Bessere Hälfte hat dieses Jahr genau die identischen Tai Chi Übungen mit gemacht, wie beim letzten Mal - das nennt man Abwechslung und Vielfalt!

SEX:
Nachdem der Abt Thich Thien Son morgens die Begrüssungsrede hielt, der Abt dann noch die "grosse" Dharmarede für alle Buddhisten hielt und die Zeremonie und Segnung zum Abschluss leitete - scheint doch alles in Ordnung, oder?
Ja, für den ist alles in Ordnung, der sich nicht informiert oder Missstände "unter den Teppich kehrt"!
Seit dem 6. Juni 2010 gibt es nun eine schriftliche Mitteilung von einem ehemaligen Mönch aus der Pagode, über die dortigen sexuellen (und sonstigen) Missstände:
My name is Thich Hue Gioi ... I was ordained in the Vietnamese tradition with Thich Thien Son as my teacher ....
Ein Japanischer ZEN-Meister, darf z.B. Sex haben, heiraten und sogar Kinder zeugen, warum auch nicht, er hat keine Gelübde abgelegt, die dies verbieten.
Aber dieser Abt vom Vesak hat die strengen Gelübde Buddhas abgelegt, die ihm das untersagen. Sein Verein dem der Abt auf Lebenszeit angehört hat in der Präambel stehen:
Ich will mich bemühen, ... keine unheilsamen sexuellen Beziehungen zu pflegen.
Irgendwie hat das der Abt wohl nie gelesen?!
Diese Vorwürfe sind nun schon weit über ein Jahr bekannt. Es gibt viele Buddhisten, die das gerne verschweigen und leichtfertig meinen: das wird "intern buddhistisch" geregelt. Ja, seit über einem Jahr ist eben "intern" nichts geschehen.
Ja, der Abt kann ungestraft weiter seinen sexuellen Verfehlungen nachgehen und niemand hindert ihn daran.
Viele der Mönche und Nonnen dort haben kein Geld mehr, keinen Besitz mehr, haben Elternhaus, Partner und Freundeskreis aufgegeben und sich völlig in die Abhängigkeit von einem Abt begeben. Was machen diese nun, wenn der Abt Sex von ihnen verlangen sollte? Sie haben noch nicht einmal die Wahl zu fliehen - wohin denn auch, wo sie alles aufgegeben haben? Selbst ein anderes buddhistisches Kloster nimmt den Betroffenen kaum noch, wenn der Abt ihnen ein schlechtes Zeugnis ausstellt.
Da gibt es doch einige Buddhisten, welche meinen: erwachsene Mönche zu Sex zwingen ist doch nicht verboten ... ich sehe das GANZ anders - zumindest ist es unmoralisch und Ausnutzung eines Abhängigen!

Nicht-Wissen:
Wie es wohl sein sollte, hat das Karma für mich vorgesehen, in den Vortrag von Kurt Österle rein zu hören:
Ich kenne ihn ganz am Rande etwas, ein bescheidener zurück haltender Mensch.
Aber dann behauptete er doch vor allen Buddhismus-Fachleuten: "Bodhidharma war 4 Jahre nach Indien zurück gekehrt, um ZEN zu studieren ..."
Die Leser müssten das jetzt alles selbst richtig stellen können:
1. Weder ging Bodhidharma 4 Jahre noch Indien noch 4 Jahre nach China - eine Vertauschung macht es auch nicht korrekt.
2. Bodhidharma war als Königssohn in Indien geboren und dort aufgewachsen (siehe z.B. Wikipedia) - er war weit mehr als 4 Jahre in Indien! Er lebte wohl 40 Jahre in Indien, bevor er nach China aufbrach.
3. Damals gab es eben auch noch kein ZEN, den Bodhidharma hätte studieren können, da er ja selbst als "Vater des ZEN" angesehen wird.
Dass ein "ZEN-Meister" so wenig Bildung über ZEN hat ist immer wieder erschreckend, kommt aber leider häufiger vor. Was kann man ihnen (ZEN-Meistern) denn noch wirklich glauben? Ja, Buddha sagt es uns: wir müssen es erst überprüfen, bevor wir es annehmen!

Dann will uns Kurt Österle, wirklich ein Koan erklären.
Als Hintergrund mag der Leser nicht wissen, dass Kurt Österle aus der Soto-Ecke kommt, wo Koans nicht mehr gelehrt werden - zumindest nicht verbreitet und systematisch wie im Rinzai-Zen. Ja, Kurt Österle ist weder anerkannter Koan-Lehrer noch kann er ein dies bezügliches Koanstudium belegen - genau so wenig wie ich selbst. Aber ungeprüft wird er von den Veranstaltern zu einem Thema sprechen lassen, von dem er kaum Ahnung hat ...

Als ich in seinen Vortrag kam, war irgendetwas anders ... ja mir kam es dann auch: Kurt Österle war zufällig evangelischer Pfarrer und die Predigt, welche er über ein Koan hielt, war keine Dharmarede, sondern eben nur eine Christenpredigt über ein buddhistisches Thema. Es war langweilig, bis einschläfernd, zumal er seine Predigt aufgeschrieben hatte und vom Zettel ab-las. Es gab weder rechte Blickkontakte zum Publikum, noch wurde es einbezogen, es war eine Predigt im Stil von vor Jahrzehnten, als Österle mal Theologie studiert hatte.

Nicht-Schießen:
Es tut mir leid, dass ich schon wieder auf Kurt Österle eingehen muss. Aber wenn ich mir etwas genau ansehe und genau hinterfrage, kommen mir doch so einige Gedanken, welche ich hier teilen möchte.
Ja in Kurt Österles Zentrum wird Bogenschiessen und Yoga, ja und auch noch etwas ZEN gelehrt. Also haben wir mit Kurt Österle einen asiatischen Bogenschützen gegenüber.
Buddha war in der Kriegerkaste aufgewachsen und hatte den Kampf und den Umgang mit Waffen lernen müssen - vielleicht war auch er ein guter Bogenschütze?
Aber nicht umsonst hat Buddha nach seinem Erwachen nie wieder einen Kampf ausgetragen oder eine Waffe benutzt, er hat dies seinen Hauslosen auch nicht zur Selbstverteidigung gelehrt - er lehnte jede Gewalt und jedes Töten ab (siehe Karma...).
Irgendwie steht für mich Kurt Österle damit NICHT in der Tradition Buddhas!
In Japan haben dann die Japaner das ZEN zum Kriegs-ZEN und zum Samurai-ZEN gemacht - die schwärzesten Jahre des ZEN in Japan.
ZEN zu benutzen um mit einer Waffe besser umgehen zu können - wo steht so etwas in der Ethik Buddhas, wo im Pali-Kanon, wo steht so etwas im Shobogenzo?
Wäre es nicht besser und im Sinne Buddhas gewesen, beim Vesak die Menschen nicht dazu verleiten eine Waffe in die Hand zu nehmen, sondern Hand an die dortigen Obdachlosen zu legen und diesen zu helfen?
Es ist doch immer wieder interessant zu sehen, wie ein Schmied jedes Problem der Welt mit dem Hammer lösen will und wie ein Bogenschütze alles mit dem Bogenschiessen lösen will. Sollten nicht beide mal diese Engstirnigkeit fallen lassen, die Welt vorurteilsfreier sehen, mit weniger Anhaftungen und nicht das Mittel einsetzten, das man gerade nur kennt, sondern auch das Passende?

Vielleicht sollte man das Kampf-Zen einmal modernisieren und auf zeitgemässe Verhältnisse adaptieren? Eben kein Kampf mit dem Körper (Kungfu oder Karate) kein Kampf mit dem Schwert (Samurai) kein Kampf mit Pfeil und Bogen (Kurt Österle), sondern das Maschinenpistolen-ZEN???
Ich glaube es gibt da noch einen grossen Markt an Rechtsradikalen, Moslems und Terroristen, welche gerne mit ZEN ihre Fähigkeiten besser umsetzten würden.
Lehren nicht gerade immer mehr ZEN-Schulen und ZEN-Sekten, dass man ZEN überall als Methode praktizieren kann: als Christ Buddhisten bekehren, als Unternehmer Arbeitnehmer entlassen, als Politiker Menschen belügen oder auch als Terrorist.
Genau das kommt eben heraus, wenn man ZEN losgelöst von jeder buddhistischen Ethik sieht und das kann und will ich persönlich nicht!

Buddha war gegen Krieg, gegen das Töten (von Mensch und Tier), gegen Waffengewalt und selbst gegen körperliche Gewalt. Jeder "Buddhist" der dies anders sieht, steht nicht mehr in der Nachfolge Buddhas ...

Aber es gibt noch einen anderen Aspekt, der im Kern noch mehr mit Buddhas Lehre zu tun hat ohne, dass viele Leser ihn ahnen werden: Anhaftung und Persönlichkeitsspaltung!
Ja vor tausenden Jahren, unsere Vorfahren, haben auch Teile ihres ICH in das Aussen projiziert, in Bäume, in erste geformte Kultgegenstände und haben gehofft, dass diese Gegenstände von aussen ihnen wieder helfen werden. Ja sie haben aus unserer modernen Sicht so etwas angebetet, ja einen Gott darin sehen wollen oder zumindest Geister.
Jetzt sehe ich den Kurt Österle mit seinem Bogen vor mir und was er alles in den Bogen hinein interpretiert, wie ihm der Bogen Kraft, Ruhe, Besinnung und den richtigen Zustand bringt ... ja aus heutiger psychologischer Sicht sind das alles Übertragungen und Abspaltungen. Letztendlich sind solche Vorstellungen Anhaftungen, welche wir durch den Buddhismus gerade überwinden sollten.
Buddhismus im Lebensalltag bedeutet, diese abgespaltenen Teile des ICHs erst einmal wieder erkennen zu lernen und sie wieder in das Ich zu integrieren, sich damit "zu versöhnen" (und als Letztes das Ich in das Selbst zu überführen ...).
Ja, dann kommt für Euch und mich jemand daher und meint er wäre ZEN-Meister oder ZEN-Lehrer ... wie können wir überprüfen ob der wirklich etwas erreicht hat oder nur einen formellen Akt über sich hat ergehen lassen?
Sobald ein "ZEN-Meister" seine buddhistischen Schriften oder eine Buddha-Statue verbrennt,
sobald ein Christ-ZEN-Meister das Kreuz einschmelzt und die Bibel verbrennt,
sobald ein Bogen-ZEN-Meister seinen Bogen verbrennt,
... dann erst haben diese so genannten Meister wirklich ihre Anhaftungen erkannt und hinter sich gelassen ... denkt mal darüber nach!!


Vor dem Vesak-Fest hatte ich von einem ZENni die passende Aussage, zu dem was und wie auf dem Vesak-Fest sich die einzelnen Gruppen präsentieren, erhalten:
"Das ist kein ZEN. Das ist Religion."
Dem möchte ich nichts hinzu fügen ...

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